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Liebesbeziehung trotz unterschiedlicher Weltansichten – Geht das?

“Es gibt viele Kriterien bei der Suche nach dem richtigen Partner. (…) Wie sieht es aber mit Kultur und Werten aus? (…) Was ist mit leichten Abweichungen in bedeutsamen Themen oder großen Abweichungen in weniger wichtigen? Ist hier eher der Grundsatz entscheidend, dass sich gleich und gleich gern gesellt, oder erst Gegensätze den gewissen Pep in einer Begegnung ausmachen?” (Parship.de)

Können zwei Partner unterschiedliche Meinungen zu Ethik, Politik und Wissenschaft/Religion haben und trotzdem glücklich miteinander sein? Wie funktioniert das? Soll ich es ganz bleiben lassen? Oder einfach ignorieren? Was tun, wenn mir die Themen zu wichtig sind?

Mein Freund & ich stammen aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Wir sind beide weitgereist, haben viel gesehen, viel gemacht und doch, unsere Wurzeln unterscheiden sich sehr von einander. Als jemand, für den tiefergehende Diskussion über ETHIK, GESELLSCHAFT und POLITIK wie die Butter auf dem Brot ist, versuche ich solche Gespräche mit ihm zu führen, wohl auch mit dem Wissen, dass wir uns wahrscheinlich ein kleines bisschen zoffen werden. Er kommt aus einer sehr patriarchalischen Gesellschaft und liebäugelt mit dem meines Erachtens alten Genderverständnis vom HARTEN MANN und der ZARTEN FRAU, während ich aus einer sehr liberalen, traditionslosen Nomadenfamilie stamme und meine Fürsprache bezüglich gesellschaftskritischer Themen schon immer in ehrenamtlicher Arbeit für etwaige NGOs ausdrücken musste. Bestimmte politische und gesellschaftliche Themen vertrete ich mit Leidenschaft.

In letzter Zeit ist mir klar geworden, dass wenn wir uns streiten, es eigentlich immer vor demselben Hintergrund passiert: unsere sehr unterschiedlichen Ansichten bezüglich Wertevorstellungen, Gesellschaft, Mann/Frau, ja sogar religiösen Glauben, man könnte sagen alle wichtigen Dinge. Mein Freund ist gebildet, weltoffen und extrovertiert, aber manchmal gibt er Dinge von sich, dich mich daran zweifeln lassen, ob wir eine gemeinsame Zukunft haben oder ob wir dazu einfach zu verschieden sind.

“Für die Stabilität einer Beziehung ist viel weniger die Tatsache entscheidend, ob sich die Meinungen und Ansichten decken, als die Frage, wie mit Unterschiedlichkeit umgegangen wird. (Parship.de)”

Das Beispiel
Insbesondere GENDER, Religion/Wissenschaft sind nun Themen, die mir am Herzen liegen und auf die mein Freund und ich uns nicht einigen können. Seine empfundene schwulen- und transgenderfeindliche Einstellung hat schon dafür gesorgt, dass wir uns fast geprügelt hätten. Nicht, dass ich viele Schwule, Intersexuelle oder Transsexuelle kenne und deshalb besonders mitfühlen kann. Das muss ich meiner Meinung gar nicht, denn es handelt sich um Menschen und sie besitzen deswegen automatisch das Recht auf Würde und Freiheit.
Ich fühlte mich anfangs sogar geehrt, als mein Freund mir beim trauten Frühstück sagte, dass er es nicht verstehe, warum ein Mann oder eine Frau auf das gleiche Geschlecht stehen könnten oder sich gar wie das andere Geschlecht kleiden wollten. Dass er es WIDERNATÜRLICH finde. Ich hatte den Eindruck, als wollte er die Motivation dahinter verstehen. Also erklärte ich Kraft meines bescheidenen Halbwissens die Existenz dieser sexuellen “Erscheinung” und erwähnte zur Verteidigung folgende Argumente:

– das der PERSÖNLICHEN PRÄFERENZ und dementsprechend das Argument der menschlichen Würde mit allen Grundrechten, egal zu welcher Minorität man sich zählt (bzgl. Schwule und Transsexuelle)
– das der BIOLOGIE, nach dem statistisch gesehen eine nicht unerheblich große Zahl von gesunden Neugeborenen uneindeutige oder gar beide Geschlechtsmerkmale trägt und bis heute oft von den Ärzten operativ mitentschieden wird, ob es kurz nach der Geburt ein Junge oder ein Mädchen sein soll. Bezüglich späteren der sexuellen Orientierung der Person kann das eine äußerst lebensbeeindrächtigende Entscheidung sein. Leider ist dieses Faktum auch in der “modernen” bürgerlichen Gesellschaft nicht so weit verbreitet.
– bezüglich Homosexualität: Die kommt auch in der TIERWELT vor
– Die NATUR DES MENSCHEN ist verspielt; in unserer Wohlstandsgesellschaft müssen wir sie nicht mehr auf eine genormte Selbstpräsentation reduzieren, um zu überleben (in Bezug auf Transsexualität)

Wir haben hin und her debattiert, er verglich Transen mit Geisteskranken, ich verteidigte sie damit, dass ich auch gerne in Männerklamotten herumliefe und in andere Rollen schlüpfen würde. Das schien kein Argument für ihn zu sein, zumindest überhörte er es. Mein resignierter Kommentar, sie seien wie auch immer Menschen und hätten ein RECHT AUF LEBEN IN WÜRDE, das ihnen in vielen Staaten aber nicht vergönnt sei, markierte dann quasi das Ende unseres romantischen Brunches.

Denn jetzt kamen wir auf den afrikanischen Staat Uganda zu sprechen. Dort steht seit kurzem Homosexualität unter Strafe. Wer sich outet oder bei einer homosexuellen Tat erwischt wird, bringt sich in Uganda in Lebensgefahr. Unterschriftenaktionen von ugandischen Intellektuellen und betroffenen Menschen haben in der Weltgemeinschaft um Aufmerksamkeit gerungen. Ich habe während meiner Zeit in Südafrika mit Exilanten gesprochen und die Ehre gehabt, die oft aussagekräftigen Ausstellungen von transsexuellen Künstlern aus Uganda, Namibia und anderen afrikansichen Staaten zu besuchen. Manchmal hatte ich dabei das Gefühl, durch eine GENOZIDAUSSTELLUNG zu wandern, es war also beiderlei interessant wie unangenehm. Die dort dokumentierten Portraits von Opfern erinnerten mich oft an die Geschichten und miterlebten Geschehnisse meines (schwulen) Cousins, der für seine Andersartigkeit schwer missbraucht und von den eigenen Eltern verstoßen worden war — es immer noch ist. Dass mein Cousin heute ein wahnsinnig lustiger, intelligenter und innovativ denkender Mann ist, erwähne ich nur, um zu zeigen, dass er TROTZ SEINER SEXUELLEN AUSRICHTUNG VIEL BEIGETRAGEN hat zur Gesellschaft, für seine nahen Mitmenschen, sogar für die gute deutsche Wirtschaft.

Mit dem von mir erwähnten Beispiel Uganda wollte ich am Frühstückstisch zeigen, dass Schwule und transgender/transsexuelle Menschen in einigen Weltregionen viel Leid erdulden. Daraufhin merkte mein Freund an, dass das Gesetz ja vom gewählten Parlament eingeführt wurde, soll heißen: DAS VOLK WILL ES SO. Laut Umfragen auf ugandischen Marktplätzen, so mein Freund, seien die Menschen 100%-ig dafür gewesen, dass Homosexualität bestraft werden sollte. Im gleichen Atemzug erwähnte er dann eine “gute Freundin”, die lesbisch sei und dass er damit gar kein Problem habe.

Somit bin ich ziemlich explodiert — und, ja, ich bin wahrscheinlich auch in die WESTLICHE ARROGANZ zurückgefallen, um meinen afrikanischen Freund zu belehren. Mea culpa. Am meisten verzweifelte mich aber sein Schlusssatz: Er lerne gerne neue Dinge aber er sei von meinen Argumenten nicht überzeugt.

Das war die erste Diskussion, in der ich mich ernsthaft gefragt habe, ob ich mit ihm leben kann. Die anderen Themen, an denen wir anecken, kommentiere ich eher wortkarg, als es die Krise nicht wert ist, aber es bedeutet nicht, dass es mir egal ist. Etwa wenn er sagt, dass er körperliche Strafen am Kind manchmal notwendig finde (in gewisser Weise habe ich mich damit nun abgefunden, weil er aus sehr schwierigen Verhältnissen stammt, in denen eine Tracht Prügel wahrscheinlich Leben gerettet hat), dass er eine alternde Partnerin nicht mehr Beziehungs-wert finde (zumindest ist er ehrlich) und dass Frauen und Männer zu bestimmten Rollen geschaffen sind. Die komischsten Beispiele hierzu: Hunde sind was für Männer, Katzen was für Frauen und seinem Sohn bringt er später mal das Fußball spielen bei, die Tochter aber soll singen und tanzen lernen. Plakative Beispiele eines größeren, weltumfassenden Glaubens, möchte ich es nennen. A propos Glauben: Als mein Freund verriet, dass er Jesus liebt aber lieber nicht mit mir über Gott und die Schöpfung reden wolle, bekam ich eine dunkle Vorahnung: Dieser Mann verneint wahrscheinlich auch die Existenz der Dinosaurier. Um für die entsprechende zukünftige Debatte gewappnet zu sein, habe ich mir jetzt eine Bibel gekauft und werde sie eingehend studieren. Das unterstützt zum anderen auch ein besseres Verständnis meiner eigenen (ur-christlichen) Herkunft. Auch wenn der Großteil unseres Haushalts drastisch-atheistisch ist.

Aber das Problem ist immer noch dasselbe: Wie soll diese Beziehung funktionieren? Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich mir vorstellen mit diesem Mann eine Familie zu gründen, aber wie soll das bei so einem Ethikclash gehen? Eine Freundin riet mir, beim Aufkommen konfliktbeladener Angelegenheiten schnell das Gesprächsthema zu wechseln. Ehrlich gesagt finde ich das schwierig, weil 1) ich anfangs nicht unbedingt wissen kann, dass er so vehement anders denkt als ich und 2) ich dochmit jeder Faser meines Körpers WISSEN WILL, WIE ER TICKT. Und da wir nicht so viele Alltagsinteressen teilen, ist mir die Konversation mit ihm umso wichtiger. Was also tun? Wo mit den Kompromissen beginnen und wie lernen, in einem Streitgespräch mit ihm ruhig und respektvoll zu bleiben (trotz empfundenen Bullshits)?

“Trägt die Liebe allerdings Früchte, und ein Paar kriegt gemeinsame Kinder, bekommt auch die Frage nach den politischen Meinungen und Werten eine andere Bedeutung. Denn Kindererziehung ist auch ein Ergebnis politischer und sozialer Einstellungen. Absprachen über das Wie und das Was helfen und wo sich keine Einigung finden lässt gilt auch hier: Reflexion ist das A und O – und gerade Kinder können nicht früh genug lernen, dass die eigene Ansicht nicht immer der Nabel der Welt ist, sondern vielfältige und bunte Ansichten hinzukommen und dass die daraus resultierenden Konflikte zum Leben dazugehören. Wo sie friedlich und respektvoll bleiben, wäre auch Politik streng genommen irgendwann überflüssig. Und das gilt nicht nur für die Welt, sondern auch für die Partnerschaft.” (Parship.de)

Zitatquelle:
http://www.parship.de/zu-zweit/wie-wichtig-ist-die-politische-einstellung.htm

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